Der Tod im Zelt 1.Fallberichte a)In der Pressemeldung stand:' Chandal Mauduit, die berühmte französische Profibergsteigerin wurde tot mit ihrem Sherpa in ihrem Zelt in Camp II am Dhaulagiri aufgefunden. In Camp II herrscht meist starker Wind und Schneetreiben, das Zelt war mit Schnee bedeckt. Im Zelt befand sich ein Kocher. ' b)Ich selbst kochte im Rahmen einer Cho Oyu Expedition, im Hochlagerzelt auf Camp 1 in 6400 m Höhe mit einem Butan/ Propankocher im Zelt. Die Schneelaschen waren mit Steinen beschwert und das Zelt hing an einer Stelle leicht nach unten. In der Nacht rutschte ich mit meinem Kopf vom Rucksack ab und kam an der tiefsten Stelle des Zeltes zu liegen. Nach etwa 3 Stunden erwachte ich mit heftigsten Kopfschmerzen, Übelkeit und Brechreiz. Wenn ich mich aufsetzte war es besser, legte ich mich nieder, wurde es wieder schlechter. Als ich den Kopf bergauf legte, konnte ich in Ruhe schlafen. c)Bei der ersten österreichischen Schiexpedition zum Nordpol 1997 kochten alle Teilnehmer mit Primuskocher im Zelt, ohne daß die geringsten Probleme auftauchten. Was können nun die Ursachen für diese Vorfälle sein ? 2. Ursachen 1.Kohlenmonoxyd ( CO) Kohlenmonoxid ist ein farb- ,geruch-, geschmackloses Gas, das etwas leichter ist als Luft. Es entsteht bei der unvollständigen Verbrennung von kohlenstoffhältigem Material – Gas, Benzin, Holz und Kohle. Es wird praktisch ausschließlich über die Lunge aufgenommen und ausgeschieden. Kohlenmonoxid verbindet sich mit dem roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) 300 mal besser als Sauerstoff. Es kommt daher zu einer Verdrängung des Sauerstoffes aus dem Blut und zudem wird noch die Abgabe von Sauerstoff an das Gewebe herabgesetzt. Dadurch kommt es zu einer Sauerstoffarmut im Gewebe. Es kommt in erster Linie zu Funktionsbeeinträchtigungen von Geweben mit hohem Sauerstoffbedarf, wie Gehirn, Herz, Blutgefäße und Blutplättchen. Im Blut ist durchschnittlich 0,5 % COHb vorhanden. Ab 2 –2,5 % kommt es zu einer Beeinträchtigung des Zeitunterscheidungsvermögens und der Daueraufmerksamkeit (Vigilanz).Außerdem eine Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Bei 2,5- 4,5 % beobachtet man eine Abnahme der Sehschärfe sowie des Unterscheidungsvermögens für Helligkeitsabstufungen. Zwischen 4,5,-9 % wird die Wahrnehmungsgeschwindigkeit verlangsamt, das Kurzzeitgedächtnis und die Lernfähigkeit beeinträchtigt. Ab 10 – 29 % treten subjektive Symtome , wie Kopfschmerzen, Schwindel, Mattigkeit, Übelkeit auf. 65 % COHb im Blut führt zum Tod. Leichte Vergiftungen äußern sich in Kopfschmerzen in der Stirn –und Schläfenregion, Schwindel, Herzklopfen, Übelkeit und Brechreiz. Im Gegensatz zur Höhenkrankheit besteht keine Ruhedyspnoe. Später tritt Ohrensausen, Augenflimmern, psychische Veränderungen im Sinne einer Berauschtheit auf, indem die Urteilsfähigkeit und Entschlußkraft verloren geht. Dies ist die Ursache, daß sich viele nicht mehr in Sicherheit bringen, obwohl sie dies noch könnten. Schließlich kommt es zu Bewußtlosigkeit, Kreislaufschock und Tod durch Atemlähmung. Erste Hilfe Maßnahme ist die Entfernung aus dem giftigen Milieu und Zufuhr von Sauerstoff. Dann wird das Gift wieder rasch aus dem Blut entfernt mit einer Halbwertzeit von 3- 6 Stunden. Bei schweren Vergiftungen können Dauerschäden durch Zerfall von Hirnzellen bestehen bleibe. Werte von 2 % COHb werden in 15 min bei leichter Arbeit und einer Luftkonzentration von CO von 100 ppm erreicht. Eine höhere Gefährdung besteht für - Schwangere und Kinder - Personen mit Beeinträchtigung der Herz-Lungenfunktion, chronischer Bronchitis ,Emphysem und Herz – Kreislauferkrankungen - Anämie - Personen in großen Höhen Nunmehr haben Untersuchungen von Gill, der Messungen mittels Drägerröhrchen durchführte, gezeigt, daß beim Kochen und Schneeschmelzen in Zelten und Schneehöhlen es zu sehr hohen CO Konzentrationen kommen kann. Zelt, Tür geschlossen, starker Wind, Schneeschmelzen – 170 ppm Zelt, Tür geschlossen, starker Wind, Wasser Erhitzen – 100 ppm Zelt, Tür geschlossen, ruhig, Heizen - 10 ppm Zelt, Tür offen, ruhig, Schneeschmelzen - 10 ppm Schneehöhle, Tür offen, mäßiger Wind, Schneeschmelzen – 10 ppm Schneehöhle, Tür geschlossen, Schneeschmelzen - 300 ppm Man sieht aus diesen Untersuchungen daß es insbesondere beim Schneeschmelzen und geschlossener Türe zu hohen Konzentrationen von CO im Zelt / Schneehöhle kommen kann. Dies kommt dadurch zustande, da sich die Flamme am kalten Boden des Kochgefäßes mit Schnee abkühlt und es so zu einer unvollständigen Verbrennung mit CO – Bildung kommt. Wenn man bedenkt, daß bei 100 ppm Luftkonzentration in 15 min eine Konzentration von 2 % COHb erreicht ist, so ist nach etwas über 1 Stunde eine Konzentration von 10 % gegeben, bei der bereits die ersten Beschwerden auftreten. Bei Konzentrationen von 300 ppm wesentlich früher und in größeren Höhen noch rascher. 2.Butan Ist ein farb - und geruchloses Gas, welches in verdichtetem Zustand ein verflüssigtes brennbares Gas ist. Bei Freiwerden in der Luft bildet es ein explosives Gemisch, welches schwerer wie Luft ist. Es wirkt in höherer Konzentration betäubend, kann in Räumen die Luft verdrängen und wirkt dann erstickend. Vergiftungszeichen sind Schläfrigkeit, Muskelschwäche, Bewußtlosigkeit. Außerdem kann der Kontakt mit der Flüssigkeit zu Erfrierungen führen. Erste Hilfe Maßnahmen: Frische Luft, Sauerstoff, Beatmung Bei Augenschäden und Hautschäden Spülung mit Wasser. 3. Propan Ist ein farbloses Gas, ohne typischen Gasgeruch. Verdichtet ist es flüssig und bildet beim Freiwerden an der Luft ein brennbares Gas. Es bilden sich beim Entspannen Nebel, die schwerer sind als Luft und sich entzünden können. Es wirkt schwach betäubend und kann durch Verdrängung von Luft erstickend wirken. Außerdem tritt Schläfrigkeit, Schwindel, Bewußtlosigkeit auf und es kann Erfrierungen verursachen. Bei Geruchswahrnehmung kann bereits eine gefährliche Konzentration vorliegen. Erste Hilfe Maßnahmen: Frische Luft, Sauerstoff, Atemspende, Behandlung von Erfrierungen, wenn vorhanden. 3. Diskussion a) Chandal Mauduit wurde mit ihrem Sherpa im Zelt liegend angetroffen, ein Kocher war im Zelt, das Zelt war mit Schnee zugeweht. Offenbar wurde im Zelt gekocht oder geheizt. Sie befand sich im Hochlagerzelt, die Sauerstoffkonzentration in der Außenluft war bereits stark herabgesetzt. Was nun die Ursache für den Tod war – CO Vergiftung, Verdrängung der Luft durch ausfließendes Butan/Propan Gas , oder beides läßt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist, daß die Ventilation im Zelt eingeschränkt war, da es mit Schnee zugeweht war. b) Das Hochlager 1 des Cho Oyu befindet sich in 6400 m Höhe. Der Sauerstoffpartialdruck ist bereits erheblich herabgesetzt. Beschwerden treten früher auf. Die Schneelaschen waren durch Steine abgedichtet, es bestand also eine verminderte Ventilation. Dadurch konnte sich ein Gemisch von Butan/Propan an der tiefsten Stelle des Zeltes ansammeln und wurde eingeatmet . Durch Einatmung von normaler Luft trat bald eine Besserung ein. c) Der Nordpol ist eine Eisscholle, die am Meer schwimmt – dh man befindet sich auf Meereshöhe und der Sauerstoffpartialdruck ist hoch, man atmet viel Sauerstoff ein. Zudem bestand immer starker Wind, die Schneelaschen wurden nicht befestigt, so daß eine gute Ventilation gegeben war. Daher traten auch keine giftigen Konzentrationen von CO im Zelt auf. Butan/Propangas wurde keines verwendet. Es ergibt sich daraus die Forderung: 1. Daran denken, daß beim Kochen im Zelt eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid auftreten kann, besonders - in großen Höhen - bei eingeschränkter Ventilation 2. Daran denken, daß auch eine Vergiftung mit Butan/Propan auftreten kann. 3. Ausreichend Lüften beim Kochen oder Heizen im Zelt – dadurch wird insbesondere CO entfernt. 4. Wenn Zünder und Feuerzeuge nicht mehr brennen, ist meist schon wenig Sauerstoff vorhanden – Lüften !. 5. Daran denken, daß sich Gasseen an der tiefsten Stelle ansammeln. 6. Möglichst mit erhöhtem Oberkörper schlafen, Kopf nach oben lagern. 7. Beim Auftreten von Kopfschmerzen und Übelkeit sofort an die frische Luft gehen. 8. Vergiftungsopfer sofort an die frische Luft bringen und, wenn vorhanden Sauerstoff verabreichen. 9. Daran denken, daß sich ein explosives Gasgemisch im Zelt angesammelt haben kann und nicht mit offenem Feuer hantieren, bis nicht eine ausreichend Durchlüftung stattgefunden hat. Dr. Wabnig Dagmar, Wolfsberg, Expeditionsärztin Literatur: Air Quality Guidelines for Europe, WHO Gill, R.M.F., Carbon monoxide hazard in sub-Antarctic exploration, Journal of Wilderness Medicine, Vol 5/1/1994 Hommel, Handbuch der gefährlichen Güter Moeschlin, Klinik und Therapie der Vergiftungen http://www.mountainzone.com/climbing/misc/viesturs-5-28.html 1 5